Identitätsfindung in einer heterogenen Gesellschaft


Gemeinwesenorientiertes Projekt in Groß-Gerau

Das Projekt „Identitätsfindung in einer heterogenen Gesellschaft“, kurz „IdiheG“, richtet sich an neue Zuwanderer und Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung, die in den letzten Jahren in den Landkreis gekommen sind.

Migration ist ein spannendes Phänomen, das immer wieder in der Gesellschaft diskutiert und untersucht wird. Warum verlassen die Menschen ihr Herkunftsland? Was suchen sie in einem neuen Land? Wie integriert man sich in eine neue Gesellschaft? Wie ist es fremd zu sein und wie geht man damit um? Zwar interessieren uns all diese Fragen, doch es ist wichtig zu beachten, dass Migration nicht als ein Phänomen, sondern als ein natürlicher Prozess in jeder Gesellschaft betrachtet werden muss. Menschen migrierten schon seit Jahrhunderten. Kriege, Armut, Naturkatastrophen bringen uns in Bewegung. Aber die Menschen gehen mit ihrer Migrationserfahrung unterschiedlich um. Wie fühlt es sich an, aus eigenem Land vertrieben zu werden und die eigenen Wurzeln zu verlieren? Wie fühlt es sich an, in einem neuen Land fremd zu sein? Wie fühlt sich das Heimweh oder die Last der enttäuschten Hoffnungen an? Migration hat viele Gesichter. Wenn die Gesellschaft Integration als Hauptziel sieht, ist es für Menschen mit Migrationserfahrung wichtig die Balance zu finden und dabei nicht nur neue Elemente aufzunehmen, sondern die eigene Identität zu bewahren.

Seit Jahrzehnten ist Deutschland zu einem beliebten Einwanderungsland, beinahe so beliebt wie die USA, geworden. Millionen Menschen sind in den letzten Jahren ins Land eingewandert. Kreis Groß-Gerau ist dabei auch keine Ausnahme, denn hierzulande verzehnfachte sich die Zahl der Zuwanderer im Vergleich zu 2010. Die Kreisverwaltung gibt sich alle Mühe, auf alle Bedürfnisse neuer Bewohner einzugehen. Trotz der vielfaltigen Angebote an Integrationsprojekten und Maßnahmen, die auch verschiedene Organisationen im Kreis anbieten, wächst die Notwendigkeit, die vorhandenen Aktivitäten zu erweitern.

Trotz der unendlichen Vielfalt an Kulturen, Migrationshintergründen, Motivationen und Erfahrungen, lassen sich bestimmte Regelhaftigkeiten feststellen. Das durch Sozialisation im Herkunftsland erworbene Wissen kann dem Fremden nur zum Teil zur Orientierung in der neuen Gesellschaft dienen. Es fehlt dem Fremden das „Denken-wie-üblich“, deswegen kann er die typisch alltäglichen Situationen in gleicher Weise wie Einheimische nicht erkennen und auf sie entsprechend reagieren. Und so entsteht die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses primär erworbenen Wissens: „Ist alles was ich gelernt habe falsch?“ Dies führt dazu, dass nicht nur eigene Erfahrungen, Normen und Werte, sondern auch die eigene Identität in Frage gestellt werden. Es könnte bedeuten, dass Menschen aus den anderen Kulturen, die solche krisenhafte Erfahrung erlebt und die Antwort auf diese Frage entweder noch nicht gefunden haben oder damit nicht zufrieden sind, können in eine starke Identitätskrise geraten.

In diesem Zusammenhang sehen wir als Ziele des Projektes eine vielseitige Unterstützung während der Orientierungs- und Integrationsphasen, sowie Stärkung der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Hilfe in Krisensituationen und bei eigener Identitätsentwicklung von Zugewanderten aller Migrantengruppen, Spätaussiedlern und deren Familienangehörigen an.

Um die gestellten Ziele zu erreichen, werden im Rahmen des Projektes öffentliche Veranstaltungen wie Vorträge, Workshops, Seminare zu alltäglichen Situationen; persönliche Gespräche, Interviews, nach Bedarf systemische Beratung; erfahrungsaustauschaktive Mitwirkung bei der Organisation und Themenauswahl von Rundtischen und Diskussionsrunden angeboten.

Durch enge Kooperation mit unterschiedlichen Ansprech- und Kooperationspartnern im Landkreis, darunter Büro für Integration der Kreisverwaltung, Kulturcafé, MBE-Stelle und andere Vereine des Kreises Groß-Gerau, werden nachhaltig wirkende Angebote, Maßnahmen und Strukturen entstehen.
Ein weiterer Schritt für Projektteilnehmer wäre die Steigerung ihrer Partizipation im politischen und gesellschaftlichen Leben. Dafür wurde in diesem Jahr eine Projektkonzeption beim BAMF eingereicht, in der auf Empowerment, also auf Aktivierung und Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund am Selbstbestimmung im Leben, und auf soziales Engagement gesetzt wurde.

Die Struktur und der Umfang unserer Angebote sind nicht zufällig entstanden. Sie orientieren sich an Bedürfnissen und Erwartungen unserer Kernzielgruppen. Für diese Zielgruppen spielen Werteerziehung, soziale Identität, Bildung und Entwicklung sowie Partizipation eine wichtige Rolle. Wir werden auch auf andere soziale Indikatoren, wie z.B. die kommunalen Verhältnisse bei Integration und Migration, achten. Dazu recherchieren wir immer wieder aktuelle Daten und sind im Kontakt mit relevanten städtischen Diensten.
Unser Projekt soll dazu beitragen, den Zugewanderten individuelle Hilfe anbieten zu können, die sich an spezifische Bedürfnisse richtet. Wir hoffen, den Teilnehmern des Projektes Integrationsmöglichkeiten und Perspektiven zeigen zu können, die den Zugang zum Alltag in der Aufnahmegesellschaft erleichtern.