Liebe Landsleute, liebe Mitglieder der Landsmannschaft,
wie gern würde ich meinen Beitrag mit guten Nachrichten oder erfreulichen Worten beginnen. Doch während dieser Text entsteht, tobt in der Ukraine leider immer noch der Krieg. Als Landsmannschaft der Deutschen aus Russland sind wir zutiefst bestürzt über die schrecklichen Ereignisse und Entwicklungen - nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland. Die Bilder des Grauens aus Butscha, Mariupol, Charkiw und vielen anderen Städte der Ukraine, aber auch von den Zuständen in Russland brechen uns das Herz und reißen bei vielen unserer Landsleute, die als Kinder die Schrecken des Krieges und der Flucht, die dunklen Zeiten der Repressionen und Diskriminierung erlebt haben, alte Wunden auf. Viele von uns haben Freunde und Verwandte in der Ukraine und in Russland. Schmerzerfüllt und hilflos müssen wir diesen Tragödien, der zunehmenden Angst und dem unsäglichen Leid zusehen.
Mittlerweile sind viele Geflüchtete aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Die Mitglieder der Landsmannschaft engagieren sich bei der Hilfe für diese Menschen, die vor dem Krieg aus ihrer Heimat fliehen mussten. Mein Dank gilt allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, allen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Migrationsberatungsstellen und unserer Bundesgeschäftsstelle, allen Projektleiterinnen und Projektleitern sowie allen, die in diesen schwierigen Zeiten anpacken und Hilfe leisten.
Unsere Orts- und Kreisgruppen organisieren zahlreiche Spendenaktionen, unterstützen bei Beratung, Behördengängen und Vermittlung von ukrainischen Geflüchteten an die Unterkünfte. Für diesen Einsatz sind wir alle sehr dankbar. Eine große Hilfe konnte auch dank der Sachspendenaktion der Monolith-Gruppe zusammen mit der Landsmannschaft erwirkt werden. Jede noch so kleine Unterstützung ist jetzt von enormer Bedeutung. In diesen schwierigen Zeiten ist die Sichtbarkeit von Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit dringender denn je.
Ebenso sind wir für die Regelung des Härtefallverfahrens dankbar. Nach der Antragstellung müssen Spätaussiedler aus der Ukraine sich einem Sprachtest unterziehen. Wer sich noch nicht bereit fühlt, hat die Möglichkeit erstmal als Kriegsflüchtling registriert zu werden, und anschließend innerhalb von sechs Monaten den Antrag zu stellen und den Sprachtest abzulegen. Angesichts aktueller Entwicklungen würden wir es jedoch sehr begrüßen, wenn diese Regelung auf 12 Monate ausgedehnt werden würde. Aus unserer Sicht wäre es angebrachter, wenn Menschen, die gerade aus den Kriegsgebieten flüchten, nach ihrem Ankommen etwas mehr Zeit hätten, um sich darauf vorbereiten zu können. Daher wäre eine Zeitspanne von 12 Monaten, innerhalb der die Spätaussiedler den Antrag auf Härtefallverfahren stellen können, angemessener.
Auch verurteilen wir aufs Schärfste die pro-russischen und pro-putinistischen Autokorsos und Demonstrationen, wie sie in Berlin, Würzburg, von Köln bis Bonn oder in Bad Kreuznach stattgefunden haben. Wir finden solche Aktionen und das Auftreten dabei, angesichts der schrecklichen Bilder von Kriegsverbrechen seitens des russischen Armee, die uns täglich aus der Ukraine erreichen, äußerst unangemessen.
Der Krieg in der Ukraine hat auch Auswirkungen auf die hier in Deutschland lebenden russischsprachigen und aus Russland stammenden Menschen. Immer wieder werden Fälle von Diskriminierungen und Anfeindungen bekannt, die uns ebenfalls sehr nachdenklich stimmen und bedrücken. Wir vertrauen jedoch auf unseren Rechtsstaat und auf unsere Regierung, und möchten alle davor warnen, überstürzte Schlussfolgerungen zu ziehen und auf Falschmeldungen reinzufallen.
Unsere Aufgabe besteht darin, auf jede tatsächliche Diskriminierung hinzuweisen und dafür zu sorgen, dass dieser auch rechtlich nachgegangen wird. Wir dürfen aber nicht in die Opferhaltung verfallen, sondern sollten unsere Ressourcen sinnvoll nutzen. Auf keinen Fall möchten wir Diskriminierungen herunterspielen, aber wir wollen es auch nicht zulassen, dass gezielt Stimmungen erzeugt werden, dadurch noch mehr Hass und Hetze geschürt werden, und dass sich Angst und Unsicherheit noch mehr verbreiten. Wir appellieren auch an die Medien und die Gesellschaft ganz klar zu differenzieren und die in Deutschland lebenden Menschen mit russlanddeutschem oder russischem Hintergrund nicht für fremde Verbrechen zu verurteilen.
Aufgrund der aktuellen Situation ruhen viele Aufnahmefälle von Spätaussiedlern aus anderen Staaten. Wir bitten dringlichst die Aufmerksamkeit auch auf die in Russland und in den GUS-Staaten lebenden Spätaussiedler zu richten. Leider hat sich die Lage auch in Russland zugespitzt und uns erreichen immer wieder Erfahrungsberichte über Anfeindungen gegenüber deutschstämmige Menschen. Insbesondere die, die sich gegen den Krieg in der Ukraine aussprechen, sind gefährdet. Daher bitten wir unsere Bundesregierung dringlichst auch für die Spätaussiedler aus Russland eine Möglichkeit des Härtefallverfahrens möglich zu machen.
Zum Schluss möchte ich Sie erneut bitten für die Menschen in und aus der Ukraine zu spenden. Dafür wurde beim Bund der Vertriebenen ein Spendenkonto eingerichtet. Alle wichtigen Daten finden Sie im beigefügten Kasten. Bei Fragen oder wenn Sie sich einbringen möchten, stehen wir Ihnen gern als Ansprechpartner zur Verfügung.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal meinen herzlichsten und tiefsten Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz aussprechen und Ihnen sowie Ihren Familien ein frohes Osterfest wünschen. Genießen Sie die Zeit im Kreise Ihrer Liebsten und bleiben Sie gesund!
Ihr Johann Thießen,
Bundesvorsitzender der LmDR