Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus finden bundesweit unterschiedliche Angebote und Veranstaltungen statt, bei denen auf den alltäglichen und strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft aufmerksam gemacht und Solidarität mit den Gegnern und Opfern von Rassismus bekundet wird.
Die Internationalen Wochen gegen Rassismus finden jährlich um den 21. März statt. Während der Aktionswochen werden vielerorts diverse Veranstaltungen und Maßnahmen durchgeführt, die über Rassismus aufklären.
Spricht man über Rassismus, so denken die meisten in erster Linie an Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe in der Gesellschaft diskriminiert werden. Jedoch geht das Thema „Rassismus“ viel tiefer, als man zunächst vermuten mag. Denn rassistisches Denken beschränkt sich nicht nur auf die Hautfarbe. In dem Artikel „Geschichte und Gegenwart des antiosteuropäischen Rassismus und Antislawismus“, der auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht wurde, greifen Hans-Christian Petersen und Jannis Panagiotidis die Problematik des antiosteuropäischen Rassismus auf und erläutern, warum eine „Osterweiterung“ der Rassismusdebatte in Deutschland notwendig ist. Denn Antiosteuropäischer Rassismus stellt in der deutschen Rassismusdebatte noch einen blinden Fleck dar.
Aufgrund des deutschen Blicks gegen Osten, der dieser sich bereits im Kaiserreich radikalisierte und rassifizierte, und insbesondere der Osteroberungspolitik Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, ist dieses Thema für Deutschland von besonderer Relevanz.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten viele Menschen aus dem Osten - insbesondere Vertriebene und Geflüchtete aus Osteuropa - eine abwertende Haltung in der Nachkriegsgesellschaft. Sie erlebten viel Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund ihrer Herkunft. Auch Deutsche aus Russland waren und sind vom antislawischen Rassismus bzw. Antislawismus betroffen. Dies wurde insbesondere in den 1980er und 1990er Jahren deutlich, als eine Masseneinwanderung aus der Sowjetunion sowie den Nachfolgestaaten stattgefunden hatte. Die Deutschen aus Russland wurden nicht als Deutsche auf- und wahrgenommen, sondern in der bundesdeutschen Gesellschaft als fremd empfunden und bezeichnet, weil sie anders aussahen, eine andere Sprache bzw. mit einem Akzept sprachen, einen anderen Vornamen und Namen hatten (aufgrund von Assimilierung und entstandenen Mischehen).
Die Folgen waren nicht nur erschwerter oder gar komplett fehlender Anschluss auf der privaten oder gesellschaftlichen Ebene, sondern auch berufliche Benachteiligung: Wegen der Nicht-Anerkennung von beruflichen und schulischen Abschlüssen, hatten Deutsche aus Russland keine oder wenig Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. In der Arbeitshierarchie fanden sie sich ganz unten wieder. Die fehlenden Perspektiven, die Enttäuschung und die Verbitterung über die Zustände - sowie das lähmende Gefühl der Hilflosigkeit - prägte ganze Generationen.
Mit dem Ausbruch des aktuellen Russlandkriegs gegen die Ukraine entflammte der Antislawismus mit einer neuen Kraft: Wieder gerieten die Menschen, die aus dem Osten stammen oder einen familiären Bezug dazu haben, ins Visier der Medien und der Gesellschaft. Menschen, die aus Russland stammen, einen russischklingenden Namen oder Russisch als Muttersprache haben, wurden misstrauisch beäugt, mit der Politik Putins in Verbindung gebracht oder mussten sich für diese Ereignisse rechtfertigen. Dabei traf es auch Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion, jüdische Kontingentflüchtlinge und andere Gruppen, die einen Bezug zu Russland oder der russischen Sprache haben.
Für eine offene Gesellschaft ohne Diskriminierung
Die Deutschen aus Russland haben über ihre eigene Benachteiligung und ihre Diskriminierungserfahrungen zu lange geschwiegen. Viele haben die Gegebenheiten angekommen und sich damit abgefunden. Zum Glück werden auch in unseren Reihen immer mehr Stimmen laut, die auf Ungerechtigkeiten hinweisen und über die Zustände aufklären. Und so möchten wir auch anderen Menschen Mut machen, über ihre Anliegen zu sprechen, damit unsere Gesellschaft insgesamt offener und aufgeklärter wird und wir mehr Verständnis füreinander entwickeln.
Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland setzt sich für eine vielfältige Gesellschaft und ein harmonisches Miteinander ein. Davon zeugen die Angebote und Maßnahmen der einzelnen Gliederungen auf der Orts-, Landes- und Bundesebene. Auch bei den Internationalen Wochen gegen Rassismus beteiligen sich einige Ortsgruppen an den Aktionen oder gestalten eigene Angebote.
Infolge der bitteren Diskriminierungserfahrungen sowie Benachteiligung der Deutschen aus Russland aufgrund ihrer Herkunft oder Sprache, können wir nachvollziehen, wie prägend und zerstörerisch Ausgrenzung sein kann. Daher ist es von großer Bedeutung, dass Menschen ihre Stimme erheben und auf Missstände in unserer Gesellschaft hinweisen. Nur, wenn wir das Problem erkennen und wahrnehmen - können wir gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen.
Öffentlichkeitsausschuß der LmDR