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13/09/2023Die Malkunst von Lisa Harms: Inspiriert durch die Heimat
Lisa Harms, russlanddeutsche Malerin aus Leidenschaft, wohnt mit ihrer Familie in der Nähe von Karlsruhe. Sie wurde 1985 in Omsk geboren und siedelte 1992 zusammen mit ihrer Familie nach Deutschland aus. Den Drang, sich künstlerisch auszudrücken, verspür Lisa schon immer. Vor drei Jahren fand sie auch einen bestimmten Weg dazu – Kreieren von Heimatbildern. Dem ging jedoch eine jahrelange Suche voraus.
Schlüsselmomente als Wegweiser
„In meiner Jugend waren es eher Zeichnungen und das Schreiben von Gedichten. Im Alter von 20 Jahren schloss ich mich einer Theatergruppe in Karlsruhe (Jakobustheater) an und stand mehrmals die Woche auf der Bühne. Als ich 2016 das erste Mal Mutter wurde, konnte ich dieser Leidenschaft aus Zeitgründen erstmal nicht nachkommen. Ich fing an, digitale Collagen mit einer App zu gestalten. Das empfand ich als sehr meditativ und befreiend“, erzählt Lisa.
Es hat jedoch noch eine Weile gedauert, bis sie zum Malen kam. Und zwar – intuitiv und fast mystisch, über ihre russlanddeutschen Wurzeln. „Irgendwann habe ich mir in einem Kunstzubehörgeschäft Leinwände und Acrylfarben gekauft und die ersten Versuche gestartet", erzählt Lisa. "Es waren von Anfang an abstrakte Wasserlandschaften. Fast zwanghaft zog ich einen Horizont, trennte Himmel vom Wasser… Ich malte wie besessen. Aber warum gerade Wasser? Kurz vor Weihnachten 2020 hatte ich dann ein Schlüsselerlebnis: Ich fand heraus, dass meine Vorfahren, die im 18. Jahrhundert an die Wolga auswanderten, ursprünglich aus der hiesigen Gegend stammten (Karlsruhe und Neustadt in der Pfalz).“
Es hat sich herausgestellt, dass die Familie Bossert (Lisas Mädchenname) nach über 200 Jahren Schicksalsgeschichte tatsächlich wieder da angekommen ist, wo die Reise einst begann. Die Malerin fing an, weiterzuforschen und Informationen zu sammeln. Irgendwann gab sie den Begriff „Wolga“ in die Suchmaschine ein und hatte ihren zweiten Schlüsselmoment: „Mir wurde klar, dass meine gemalten Bilder einen autobiografischen Bezug hatten. Wie kann man sich das sonst erklären? Es muss so etwas wie ein genetisches Gedächtnis geben“, so die Künstlerin.
Kreativität als Alltagsinspiration
Vor drei Jahren zog die Malerin aus Leidenschaft und Handelsfachwirtin von Beruf zusammen mit ihrem Mann und zwei Kindern nach Au am Rhein bei Karlsruhe um, wo sie ihr eigenes Atelier eingerichtet hat. Auch für ihren „vernünftigen“ Alltag ist eine Verbundenheit mit Kunst sehr wichtig, so die 37-Jährige: „Meine Kreativität gibt mir wichtige Impulse im Arbeitskontext, und die Arbeit mit meinen Kolleginnen und Kunden inspiriert mich in meiner Kunst. Ich sehe es mittlerweile als Geschenk, frei von einstudierten Techniken zu sein. So kann ich einfach Unterschiedliches sowie etwas Unkonventionelles ausprobieren und dabei mich selbst immer wieder überraschen lassen.“
Allmählich entwickelte sich ihr Zeitvertreib zum Hobby und schließlich zur Berufung. Mit ihren Werken schafft sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere einen Erinnerungsort zum Gedenken, Trauern oder auch zu einem mutigen Blick in die Zukunft, zur Stärkung durch eigene Wurzeln.
„Es bewegt mich, dass ich über das Malen seelisch an die vergangenen Orte meiner Vorfahren wandern kann. Orte, die sie zurücklassen mussten und nie wiedersehen durften. Ich möchte in den Bildern etwas Heimat konservieren, das Abwesende anwesend machen: Wolga, Bergseite, Wiesenseite, Steppe, Sibirien. Manchmal ganz intuitiv und abstrakt, dann wieder etwas konkreter. Vor allem auch bei anderen - ein bisschen Heimweh zu stillen oder einfach nur einen Raum dafür zu schaffen, lässt mich einen tieferen Sinn im Erstellen dieser Kunstwerke erkennen“, sagt die HeimArt-Malerin.
Von der Idee – zur Kreation
Ein großer Traum von Lisa wäre es, an die Wolga reisen zu können, um vor Ort Materialien zum Malen mitnehmen zu können – Erde, Wasser und getrocknete Pflanzen. Sehr gerne würde sie auch ein gemeinsames Projekt mit anderen russlanddeutschen Künstlern umsetzen und ausstellen. Egal ob eine einfache Ausstellung, Rauminstallation oder Performances – sie steht allen möglichen Kooperationsoptionen offen. Zwei große erfolgreiche Ausstellungen liegen bereits hinter ihr – und sie möchte noch ganz viele solcher Bilder erschaffen.
Den Inspirations- und Kreationsprozess beschreibt Lisa folgendermaßen: „Die Initialzündung, überhaupt mit einem Bild zu starten, ist die Idee von einer Landschaft, die ich als Gefühl wahrnehme, eine Stimmung. Beim Malprozess geht es darum, da irgendwie hinzukommen. Diese ursprüngliche Atmosphäre gewinnt dann immer mehr an Gestalt.“
Bei der Materialvielfalt gibt es für sie keine Grenzen. Hier geht es wirklich mit dem Ausprobieren los. Am häufigsten benutzt sie Acryl, Lacke, Epoxidharz, Pigmente und Bodenschätze – beispielsweise Wasser, Erde oder getrocknete Pflanzen von einem besonderen Ort. Im Endeffekt kann die Essenz aus allem, das uns umgibt, seinen Weg ins Bild finden. „Ich glaube ganz fest daran, dass Erinnerungen auf diese Art gespeichert werden können“, sagt Lisa. „Meistens beginne ich ganz intuitiv Farben anzurühren und sie auf der Leinwand zu verteilen. Schicht für Schicht trage ich sie auf und nehme sie wieder weg.
Dabei bediene ich mich verschiedener Werkzeuge: des Pinsels, Spatels, Duschabziehers, der Bürste oder meiner Hände.“ Sie arbeitet lieber gleichzeitig an mehreren Bildern, anstatt sich auf ein einziges Bild zu fokussieren. So bleibe sie locker und könne sich auf einer größeren Fläche austoben. Am Ende kommen nur noch Feinheiten hinzu, die Ränder werden gesäubert und eine Abschlussschicht aufgetragen, die die Farben versiegelt.
Kunst ist für jede/n
„Mir hilft es enorm zu verstehen, dass es ein absolutes Privileg ist, mich in der Kunst ausdrücken sowie meine Berufung suchen und leben zu können. Ich weiß von keiner Frau in meinem Stammbaum, die so frei leben durfte“, sagt Lisa.
Die Künstlerin ist überzeugt, dass jede/r einen eigenen Weg zur Kunst finden kann: dafür soll man in sich selbst hinein hören. Was willst du WIRKLICH? Bei welcher Tätigkeit vergisst du die Zeit? Was kann die Welt von dir lernen? Diese Fragen sollte sich jede/r selbst stellen und beantworten.
Wenn man dann einmal angefangen hat ohne Konvention, ohne konkretes Ziel Farbe auf das Papier, die Leinwand oder auf was auch immer zu verteilen, entsehen im Gehirn ganz neue Verknüpfungen. Dem Prozess diesen wichtigen Raum zu gewähren, ist anfangs – in unserer stets ruhelosen Zeit – eine ganz neue Erfahrung. Es ist wichtig, dem Ruf zu folgen, wenn man ihn wahrnimmt. Die Herausforderung ist, dranzubleiben, nicht aufzugeben sowie offen für gewisse Schlüsselmomente zu sein.
Dabei spielen die Anzahl der Versuche sowie das Durchsetzungsvermögen eine entscheidende Rolle. „Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es einen großen Unterschied macht, ob man erst drei, zehn oder gar hundert Bilder gemalt oder Texte geschrieben hat. Das lässt sich auf ziemlich alles übertragen. Wer sich ständig fragt, wie es nur gehen soll, fängt gar nicht erst an. Die Frage, die man sich eher stellen sollte, ist ein „Was?“ - Was möchte ich der Welt erzählen?“, fasst die Künstlerin zusammen.
Am Sonntag, 27. August 2023, zeigte Lisa Harms ihre Bildserie im Rahmen der Kunstausstellung ART Baden-Baden im Kurhaus Baden-Baden.
Ihre wunderbaren und einzigartigen Werke kann man sich auf Instagram (@lisawaterlover) oder auf Facebook anschauen. Zurzeit arbeitet sie an weiteren Projekten, bspw. an einer neuen Bildserie, und freut sich sehr über das Interesse sowie Kooperationsanfragen (gerne über Social Media oder per E-Mail: lisa_85bossert@web.de). Falls es Hinweise zu großen Ausstellungsräumen und Galerien gibt, wo dieses Thema verortet werden kann, wäre sie für eine Kontaktaufnahme und für jeden Tipp sehr dankbar.
Text: Anna Bajrakov
Fotos: Johannes Bossert